Der Bau und die Optimierung multimodaler Mobilitätsknoten sind aktuell weit oben in der Agenda vieler Städte. Eine der Hauptfunktionen multimodaler Mobilitätsknoten ist eine nahtlose Verbindung zwischen dem Fahrrad für die erste und letzte Meile und Zügen und Bussen für längere Strecken zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, dass die Erreichbarkeit mit dem Fahrrad ein wesentliches Qualitätskriterium solcher Knoten darstellt. Im Rahmen eines kleinen angewandten Forschungsprojekts wurden wir gebeten, die Fahrradzugänglichkeit verschiedener potenzieller Mobilitätsknoten im Bundesland Salzburg zu bewerten.

Viel zu oft wird eine solche Erreichbarkeitsanalyse durch die einfache Berechnung der Fahrtzeiten von den Haushalten zum Knotenpunkt durchgeführt. Dabei wird die Eignung der vorhandenen Infrastruktur für das Radfahren außer Acht gelassen. Ist das Radfahren tatsächlich sicher und bequem? Folglich ist es notwendig bei der Bewertung der Erreichbarkeit nur das Radverkehrsnetz zu berücksichtigen und alle anderen Straßen außer Acht zu lassen. Aber was genau ist das „Radverkehrsnetz“? Sind das nur getrennte Radwege? Oder alle Straßen, auf denen man legal mit dem Fahrrad fahren darf? Oder etwas dazwischen? Was garantiert, dass Ihr Radverkehrsnetz tatsächlich einem bestimmten Qualitätsstandard entspricht? Anstatt all dies im Voraus zu definieren und eine einzige aggregierte Erreichbarkeitsmetrik zu erstellen, haben wir uns dafür entschieden, EntscheidungsträgerinnenEinblicke zu gewähren, wie unterschiedliche Definitionen der Fahrradtauglichkeit zu unterschiedlichen Ergebnissen der Erreichbarkeitsbewertung führen. Die endgültige Entscheidung darüber, was eine akzeptable Eignung ist, wird dann den Entscheidungsträgern überlassen und nicht dem Datenanalysten.

Unser Ansatz bestand aus zwei einfachen Schritten. Zuerst berechneten wir einen Fahrradtauglichkeitsindex für jede Straße in einem 15-minütigen Netzpuffer um jeden Knotenpunkt. Für diese Aufgabe haben wir die NetAScore toolbox verwendet, die in unserer Forschungsgruppe entwickelt wurde. Sie berechnet einen zusammengesetzten Index, indem sie mehrere gewichtete Indikatoren kombiniert, die jeweils einen bestimmten Aspekt der Fahrradsicherheit oder des Fahrradkomforts beschreiben. Der Index reicht von 0 (geringste Eignung) bis 1 (höchste Eignung). Die nachstehende Abbildung macht diesen Index leicht verständlich:

Zweitens berechneten wir den Anteil der Haushalte innerhalb des 15-Minuten-Puffers, die eine Fahrradabstellanlage am Knotenpunkt erreichen können, indem sie nur Straßen mit einer Fahrradtauglichkeitsbewertung über einem bestimmten Indexschwellenwert nutzen; zusätzlich wurden verschiedene Umwegtoleranzen im Vergleich zum kürzesten Weg berücksichtigt. Wir haben diese Berechnung für viele verschiedene Kombinationen von Indexschwellenwerten (Bikeability) und Umwegschwellenwerten (Umwegtoleranz) wiederholt, so dass wir die Erreichbarkeit mit dem Fahrrad auf der Grundlage verschiedener Qualitätsstandards miteinander vergleichen können. Durch die Einbeziehung der Umwegschwelle haben wir neben den Sicherheits- und Komfortprinzipien, die der Index bereits abdeckt, auch das Direktheitsprinzip einer guten Fahrradinfrastruktur berücksichtigt.

Wir haben die Ergebnisse in Form eines interaktiven Notebook zur Verfügung gestellt, mit dem Sie die Schwellenwerte ändern können und die Auswirkungen auf die Ergebnisse unmittelbar visuell erfassen. Über diesen Link gelangen Sie direkt zu einer Demoanwendung. Der Code ist natürlich OpenSource auf GitHub verfügbar.

Außerdem haben wir die Methodik, die hinter dieser Arbeit steht, in einer allgemeineren Form auf der AGILE-Konferenz vorgestellt, die von der Association of Geographic Information Laboratories in Europe organisiert wurde und dieses Jahr in der schönen Stadt Glasgow, unter dem Motto „Geographic Information Science for a Sustainable Future“, stattfand. Wir hatten dort eine großartige Zeit und knüpften viele neue Kontakte, die hoffentlich dazu beitragen werden, unsere Arbeit zur Zugänglichkeit von Fahrrädern auf eine neue Ebene zu bringen. Das dazugehörige Paper finden Sie in den Konferenzunterlagen: https://doi.org/10.5194/agile-giss-5-48-2024

Unser Ansatz ist konzeptionell einfach, so dass er leicht zu erklären und Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger zu vermitteln ist. Andererseits hat die Einfachheit natürlich auch ihre Nachteile, da wir es mit einem komplexen System zu tun haben, bei dem viele Faktoren eine Rolle spielen. Im Diskussionsteil des Papers erörtern wir einige dieser Probleme sowie Richtungen für die künftige Forschung und unterstreichen noch einmal die der Modellierung innewohnende Herausforderung: Wie findet man ein gutes Gleichgewicht zwischen Komplexität und Erklärbarkeit?